Charles Bernstein

A Test of Poetry

What do you mean by rashes of ash? Is industry
systematic work, assiduous activity, or ownership
of factories? Is ripple agitate lightly? Are
we tossed in tune when we write poems? And
what or who emboss with gloss insignias of air?

Is the Fabric about which you write in the epigraph
of your poem an edifice, a symbol of heaven?

Does freight refer to cargo or lading carried
for pay by water, land or air? Or does it mean
payment for such transportation? Or a freight
train? When you say commoded journey,
do you mean a comfortable journey or a good train
with well-equipped commodities? But, then, why
do you drop the ‘a’ before slumberous friend? And
when you write, in “Why I Am Not a Christian”
You always throw it down / But you never
pick it up
––what is it?
 

Anmerkung: Auszug. Geht zurück auf einen Brief mit Fragen von Ziquing Zhang, Bernsteins chinesischem Übersetzer.

 

aus: My Way. Speeches and Poems. Chicago: University of Chicago Press, 1999.

Buchveröffentlichungen (in deutscher Übersetzung), zuletzt:
Angriff der Schwierigen Gedichte. Zweisprachige Ausgabe.
Deutsch von Tobias Amslinger, Norbert Lange, Léonce W. Lupette und Mathias Traxler. (2014)
Gedichte und Übersetzen. Deutsch von VERSATORIUM. (2013)


Amslinger | Lange | Lupette | Traxler

 

Ein Test der Poesie

Was meinen Sie mit Ausschlägen aus Asche? Ist Industrie
ein Wirtschaftszweig, Massenfabrikation oder Eigentum
von Fabriken? Ist Kräuseln leicht schütteln? Sind
wir Dichter dann in Harmonie geschleudert? Und
wer oder was trägt Lackinsignien aus Luft?

Und der Stoff, über den Sie im Motto Ihres Gedichts schreiben,
ist er eingebildet, ein Symbol des Himmels?

Bezieht sich Fracht auf Frachtbriefe oder die Spedition
von Ladung zu Lande, zu Wasser und in der Luft? Oder meint es
die Bezahlung für diese Logistik? Oder einen
Frachtzug? Wenn Sie sagen eine kommode Reise,
ist die Reise komfortabel oder ist der Waggon
mit den bequemsten Möbeln ausgestattet? Aber dann, warum
löschen Sie vor verschlafende Freund den Artikel? Und
wenn Sie in „Warum ich kein Christ bin“ schreiben
Du schmeißt es immer hin / Aber Du kannst nie
etwas aufheben
––was heißt etwas?

Anmerkung: Auszug. Übersetzt von Norbert Lange.

aus: Charles Bernstein. Angriff der Schwierigen Gedichte. Zweisprachige Ausgabe.
Deutsch von Tobias Amslinger, Norbert Lange, Léonce W. Lupette und Mathias Traxler.
Wiesbaden: Luxbooks, 2014.

VERSATORIUM

 

B Test of Poetry

What do you mean by über allen Wipfeln? Is Industrie
industriousness or dust or
a river? And Rüpel a Russian word? Are we
tossed in tune by Tunesische Gedichte? And
why and when geht dann und wann ein weißer Elefant?

Is Fifth Avenuen about which you write somewhere
in your poem an avenue or a venue?

Does richtig refer to rich or to Richard
or to a tiger named Rich? Is there
a reference to Brecht or to bright? Right-
handed? When you say Mode Journal
do you mean a comfortable journey or
a mad train made in Germany? But, then, why
don’t you drop the third Röslein before rot? And
when you write, in ‘Mein Name ist nicht Christus’
Es schlug mein Herz / Es war getan
fast eh gedacht
– was ist es?

Anmerkung: Auszug. Übersetzt von Charles Bernstein und Peter Waterhouse.

aus: Charles Bernstein. Gedichte und Übersetzen.
Wien: Edition Korrespondenzen, 2013.


www.versatorium.at


Charles Bernstein | Geboren 1950 in New York City. Studium am Harvard College. Er ist Mitglied der Language Poets und gab zwischen 1978 und 1981 das Magazin L=A=N=G=U=A=G=E heraus. Heute lebt er in New York City und ist als Lyriker, Essayist, Herausgeber sowie als Professor für Englisch und vergleichende Literaturwissenschaften an der University of Pennsylvania tätig. Mitglied der American Academy of Arts and Sciences seit 2006.
 

Charles Bernstein ist ein zeitgenössischer Autor im besten Sinne: er leidet am Zeitgeist wie am Begriff, ohne zu resignieren. Seine hellwachen und formal-ästhetisch avancierten Gedichte sind immer auch Diskursanalyse und poetologische Ressourcen.

Dennis Büscher Ulbrich im Nachwort zu: Charles Bernstein. Angriff der Schwierigen Gedichte. (2014)

Natürlich ergeben sich […] für eine Übersetzung enorme Konsequenzen und die Frage der Texttreue stellt sich auf einer anderen Ebene neu. Was bedeutet das Original? Und worin besteht der Versuch, ihm nahezukommen. Während das Buch der Versatoriumgruppe dieses Problem versucht auf eine gewisse spielerische Art zu lösen, und dabei die Grenzen des Mediums erweitert und überschreitet, findet es hier [bei Amslinger, Lange, Lupette & Traxler] einen rein literarischen, aber dabei nicht minder konsequenten Niederschlag.

Jan Kuhlbrodt


Tobias Amslinger | Geboren 1985 in Stuttgart. Studium der Philosophie, der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Heute lebt er in Berlin und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität tätig.

Norbert Lange | Geboren 1978 in Gdynia (Polen). Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Judaistik in Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Heute lebt und arbeitet er als Lyriker, Essayist und Übersetzer in Berlin. Heimrad-Bäcker-Förderpreis 2013.

Léonce W. Lupette | Geboren 1986 in Göttingen. Studium der Komparatistik, Lateinamerikanistik und Philosophie. Der deutsch-französische Lyriker und Übersetzer lebt in Frankfurt am Main und Buenos Aires.

Mathias Traxler | Geboren 1973 in Basel. Jurastudium in Basel und Fribourg. Heute lebt er als freier Autor in Berlin.

Eigentlich sind es ja vier Übersetzer, vier Dichter der jüngeren Generation, doch hier pflegen sie einen Gruppenstil, der das Recht auf verbale Anarchie auch für die Nachbildung beansprucht. Dabei gibt es hübsche Einfälle wie Mehrfachübertragungen (die einen enger an der Vorlage, die anderen irgendwo weit jenseits), eine „Version“ als deutsche Zitatenanhäufung oder als Reflex des Originals in Spiegelschrift.

Werner von Koppenfels


VERSATORIUM | Judith Aistleitner, Katharine Apostle, Gabriella Attems, Charles Bernstein, Aida Besirevic, Julia Dengg, Helmut Ege, Monique Ehmann, Nino Idoidze, Katharina Lehner, Astrid Nischkauer, Natalie Neumaier, Mirjam Paninski, Marlies Peter, Miriam Rainer, Julia Rosenkranz, Anja Sander, Katharina Schindl, Dimitri Smirnov, Nina-Victoria Truskawetz, Franz Vala, Peter Waterhouse, Jennifer Weiss, Katharina Widholm, Anna Zalesko

Das VERSATORIUM, eine Gruppe junger Forscherinnen und Forscher, entstand 2011 am Institut für Komparatistik der Universität Wien. Aus einem offenen Konservatorium, initiiert von dem Dichter Peter Waterhouse, entstand ein Verein, der mittlerweile einen eigenen Raum gegenüber von Wittgensteins Haus in Wien bezogen hat.
VERSATORIUM erforscht und übersetzt lyrische oder poetologische Texte vor dem Hintergrund theoretischer Fragestellungen. 2011 und 2012 widmete sich die Gruppe den Gedichten und Essays von Charles Bernstein. Aus der intensiven und ergebnisoffenen Auseinandersetzung mit den Texten des US-Amerikaners entstand der Band „Gedichte und Übersetzen“. Er legte den Grundstein zu einer Buchreihe, die das Kollektiv im Wiener Verlag Edition Korrespondenzen herausgibt.
Neben englischsprachiger Lyrik, etwa von Charles Bernstein und Rosemary Waldrop, legt das VERSATORIUM in Zukunft auch einen Schwerpunkt auf die georgische Sprache. Aus Begegnungen mit Forscherinnen und Forschern rund um das Schwarze Meer soll ein Projekt mit Übersetzungen, Lesungen und Publikationen entstehen.
 

Der PacMan auf blinder ECTS-Jagd ist Ausdruck einer Grundstimmung an den Unis: Studium und Forschung werden immer gehetzter. Das „Versatorium“ rund um Autor und Übersetzer Peter Waterhouse ist eine Insel der Langsamkeit. Die ganze Idee der Konzentrationsspanne sei falsch: „Auch aus Müdigkeit und Erschöpfung können neue Sachen erwachsen.“ Waterhouse bietet an der Komparatistik ein Konversatorium an. „Diese Form ist am geeignetsten. Man hört schon: Hier gibt es kein Zentrum“, erklärt er. Da es im Konversatorium um Gedichte und Übersetzung geht, wurde bald das „Versatorium“ daraus. Außerdem klinge darin das englische „versatile“ (vielfältig, wandlungsfähig) an. Damit könne man sich identifizieren.

Julia Grillmayr